Sechzig Jahre nach John Coltranes spirituellem Meisterwerk „A Love Supreme“ machen Jürgen Hiekel und seine Band zum Auftakt der „Spiritual Jazzdays” den ehrfürchtigen Sprung ins Heute.
„Spiritual Jazzdays”„A Love Supreme” – John Coltrane reloaded in der Christuskirche

Das Quartett um Saxophonist Jürgen Hiekel entfacht Coltranes spirituelle Jazzsuite neu.
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Pfarrer Siegfried Eckert, Initiator der „Spiritual Jazzdays“, hat diesen Ort geschaffen, „in dem sich Jazz und Spiritualität verbinden“, wie er sagt. Und selten schien diese Verbindung so selbstverständlich wie am Montagabend. Der Bass hebt sich an. Christian Kussmann formt mit dunkler Wärme das bekannte Ostinato aus „Acknowledgement“, das Herzstück von Coltranes Suite. Claus Schulte am Schlagzeug tastet sich dazu in klangmalerischen Bögen vor, während Andreas Theobald am Klavier Licht und Schatten webt. Als schließlich Jürgen Hiekels Saxophon einsetzt, entfaltet sich ein Ton, der aus innerer Überzeugung spricht. Lange habe sich die Band darauf vorbereitet, da es technisch so anspruchsvoll sei. „A Love Supreme“ wird am Ende dieses Abends nicht gespielt, sondern geglaubt.
„Spiritual Jazzdays”: Zwischen Andacht und Aufbruch
Der Journalist und Jazzexperte Peter Kemper schrieb einst, „A Love Supreme“ sei „eines der Kunstwerke, die ähnlich Bachs Matthäus-Passion selbst einer spirituellen Erfahrung gleichkommen.“ Diesen Anspruch spürt man – aber in die Gegenwart übersetzt. Das Quartett macht Coltranes vier Sätze zur offenen Meditation: Jazz als Sprache der Suche.
In „Resolution“ etwa verlässt das Ensemble bewusst die Pfade der Vorlage. Theobalds Klavier weitet die Harmonien, Hiekel dehnt die Themenlinien, Schulte bricht das Metrum auf – als würde das Stück selbst nach neuer Form rufen. Und genau das entspricht Eckerts Festivalidee. Seine „Spiritual Jazzdays“, nun im dritten Jahr, verstehen sich als Ort der Offenheit – Jazz in Verbindung mit Weltmusik, Klezmer, Klassik, Pop.
Offenheit, so Eckert, sei die Voraussetzung für das Spirituelle. So wird dieser Abend zur leisen Widerrede gegen die Schnelllebigkeit der Welt. „Sonst wären Sie zur Tagesschau schon wieder zuhause“, so Hiekel. Im finalen Satz „Psalm“ scheint sich die Musik selbst zu verneigen. Hiekels Saxophon flüstert, als lese Solo-Applaus. Die Christuskirche erweist sich als Resonanzraum für diese Musik zwischen Himmel und Erde. Jazztage-Chef Fabian Stiens überließ vor drei Jahren Eckert diese Form des Jazz, weil sie nicht wirtschaftlich sei. „Ich mache es trotzdem, obwohl es nie wirtschaftlich sein wird“, so der Pfarrer. Und ja: Der Abend ist ein Beweis, dass Spiritualität im Jazz noch immer möglich ist. Vielleicht, weil beides dasselbe sucht: den Ton, der über das Menschliche hinausweist.
Die „Spiritual Jazzdays“ in der Leverkusener Christuskirche
Die Jazzdays laufen noch bis zum 31. Oktober: Am Dienstag (28. Oktober, 19 Uhr) verbinden Marcus Schinkel (Klavier) und Uwe Steinmetz (Saxofon) Musik von Bach bis Supertramp, sakrale Harmonik mit jazziger Leichtigkeit. Am Mittwoch folgt die Hamburger Klezmerband „Mischpoke“, die bereits 2023 in Leverkusen zu Gast war, am Donnerstag die Jazzrock-Formation „Jin Jim“ mit ihrer furiosen Flöte von Daniel Manrique-Smith. Den Abschluss bildet am Reformationstag (Freitag, 31. Oktober, 19 Uhr) ein besonderer Gottesdienst unter dem Motto „Ecclesia semper reformanda“, mit Musik und Texten von Leonard Cohen.
Karten sind für 20 Euro (ermäßigt 15 Euro) erhältlich online oder an der Abendkasse, Dönhoffstraße 2, 51373 Leverkusen.
www.spiritual-jazz-lev.de
